Samstag, 15. Mai 2004
Mirrorblog
Gerade sitze ich in einem Internetcafe. In München. Schwabing. Ein sehr teures Internetcafe. Es ist zwar Happy Hour, trotzdem knöpfen sie dir 4 € ab fürs Surfen pro Stunde. Die verbilligten 5,50 für einen Caipirinha kann man zwar verkraften, weniger allerdings die unreifen Limetten, die überdimensionierte Portion braunen Zucker und die unterdimensionierte Portion Alkohol darin. Egal.

Morgen bin ich noch in dieser Stadt, mit der ich mich trotz häufiger Aufenthalte immer noch nicht anfreunden konnte, und übermorgen geht es ab nach Cannes!
Das erste Mal war ich in Cannes vor ca. 15 Jahren. Gemeinsam mit Mike. Wir wurden eingeladen. Von Troma Films - der Firma, der damals unsere volle Bewunderung galt. Eine wahre Independent Firma, die es den Großen zeigte, die bewies, daß man auch ohne Budget schlechte Filme machen konnte.

Wir besassen die Naivität und den Charme und den Größenwahn der Jugend. Wir schafften es, als Moderatoren einer kleinen Horrorfilmsendung eines noch kleineren Radiosenders ohne Akkreditierung alleine durch selbstbewusstes Auftreten zwei Presseausweise zu ergattern. Und wir mussten erkennen, dass eine Einladung, die von einem Chef einer amerikanischen Independent Filmfirma heisst: du darfst sie mal schnell am Messestand besuchen!

Wir liebten Cannes.
Wir lieben Cannes noch immer und übermorgen fahren wir hin.
Ganz spontan und ungeplant!

Und Troma!? Die besuchen wir natürlich wieder.

Wir haben Troma auch in New York besucht, direkt im Troma Building.

Das Troma Building ist ein Gebäude, mit dem ich immer etwas Mythisch-imposantes verband. Kannte ich es doch nur aus Briefköpfen und Erzählungen. Das Troma Building war für mich eine Kombination aus einer von Postkarten geprägten Vorstellung vom Time Square sowie "abgerockter" Gettho-Athmosphäre.

Eine imposante Mischung aus den folgenden beiden Bildern:




In Wirklichkeit sieht das Troma Building so aus:


Zu den Masken
Wirklich gerne würde ich jetzt ein paar Cannes-Bilder von 1990 scannen und online stellen. Die Bilder nämlich, auf denen wunderschöne aber unterbezahlte amerikanische Troma-Schauspieler mit anliegend zu sehenden Masken auf der La Croisette posieren. Aber - ich bin ja in diesem Schwabinger Internetcafe. Inzwischen habe ich einen Teller mit Cocktail Snacks spendiert bekommen, die ich versuche zu ignorieren, weil sie sehr gehältig sind (Erdnüsse, Kekse, Tacos) - und mir noch ein Hefeweizen bestellt - weil da weiss man was man hat.

Ich werde die Bilder nachliefern. Es wird ja auch bald einen Cannesbericht 2004 geben.

Aber diese wunderbaren Masken, die wir vor dem Azurfarbenem Meer an wunderschönen Menschen sehen durften, vielbeachtet von Touristen, fristen nun ihr Dasein in einem verstaubten Regal irgendwo in einer schlechten Manhattener Gegend.



Der Rest kommt jetzt im Schnelldurchlauf.

Das ist Michael Hertz in seinem Büro. Es ist wirklich Michael Hertz.


Und das ist Lloyd Kaufmann in seinem Büro:


Und das sind Lisa, Lloyd, Mike und Andy vor dem vom WOF-Team signierten Weekend of Fear Plakat - welches bei Troma im Lager hängt!


Und das ist ein Mülleimer mit Nasen drin.



Übrigens - der ultimative Film der uns das Cannes-Fever und Troma verstehen lässt: All the Love you Cannes. ANSCHAUEN!

CU - ich muss jetzt mal meine Internetcafeerechnung zahlen gehen.

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Samstag, 1. Mai 2004
1. Mai - NY
Der erste Mai ist der Tag, an dem in Wien keine Strassenbahnen fahren und keine Busse. Sehr dumm, wenn man am 30. April irgendwo versumpft - auf einer Party oder in einer Disko - ohne Auto und ohne Geld fürs Taxi. Jedes Jahr am 1. Mai denke ich an Wien zurück. An das dumme Gefühl festzusitzen - der Mobilität beraubt zu sein und an die langen Wanderungen durch die verschiedenen Bezirke nach Hause.

Der heutige 1. Mai erinnert mich an New York.
Da hat es auch so fürchterlich geregnet.

Und jetzt knall ich mich vor den Fernseher werd ich mir einen Sofanachmittag genehmigen ohne schlechtes Gewissen ja eigentlich rausgehen zu müssen bei dem schönen Wetter, weil das Wetter ist nicht schön.

Aber der 1. Mai!







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Mittwoch, 28. April 2004
Einmal habe ich fast ein Jahr lang geschlafen
Ich habe einmal fast ein Jahr lang geschlafen.

Kurz zuvor bin ich 18 geworden. Es waren die letzten Monate meiner Schulzeit und es war die Zeit der ersten Abenteuer. Damals schlief ich selten. Nachts war ich meist heimlich unterwegs. Unterwegs in Kneipen mit so vielversprechenden Namen wie „Elektro Schmidt“ und „Badcafe“, unterwegs auf Konzerten neuer wilder Bands, die den Musikgeschmack auf den Kopf stellten. Und unterwegs auf nächtlichen Expeditionen mit meinem Verbündeten K. Wir wollten wissen wie der Wald nachts aussieht, wenn man auf einer Geländemaschine durch ihn durchbraust. Wir unternahmen heimliche Kletterexpeditionen auf Schiffen, die am Donauufer angelegt hatten und stiegen in öffentliche Gebäude ein, um die Leere zu fühlen. Einmal beobachteten wir einen nächtlichen Geldtransport und dachten lange darüber nach, ob wir das Zeug zum Räuberpärchen hätten. Meist war ich unterwegs bis 5 Uhr früh, um mich dann nach Hause zu stehlen, an den schlafenden Eltern vorbei in mein Bett. Unter Tags ging ich in die Schule.

Ich rannte dem neu entdeckten Leben hinterher in der ständigen Angst etwas zu versäumen.
Ich wusste, dass sich das Leben, der Lebensweg in Sekundenschnelle entscheiden kann. Im richtigen Moment am richtigen Ort zu sein – wichtig. Den richtigen Schritt in die richtige Richtung machen - lebenswegentscheidend. Das Schicksal lauert hinter jeder Ecke. Und die entscheidenden Momente wollte ich erkennen – das Schicksal einfangen – das Leben richtig wenden.

Es war eine faszinierende aber erschöpfende Zeit. Eine Zeit in der viel passierte. Eine Zeit, die mit dem Schulabschluss – einem Riesenkrach mit meinen Eltern und dem Umzug in eine andere Stadt endete.

Ich bezog meine neue Wohnung - und schlief ein.

Mein Zimmer sah fürchterlich aus. Ich schaffte es beim Einzug gerade noch, die Hälfte der braun-beige-gemusterten Tapeten abzukratzen, die meine Wände verunstalteten – die andere Hälfte verschob ich. Auf morgen. Auf übermorgen. Monatelang. Ich ging jeden Tag um 10:00 ins Bett und schlief – mit Unterbrechungen, bis in den Nachmittag des nächsten Tages hinein. Ich kannte kaum jemanden in dieser Stadt, daher vermisste mich auch keiner. Ich schaffte es zwar, mich an der Universität einzuschreiben, danach versäumte ich jedoch fast alles. Vorlesungen, Seminare, Prüfungen. Und ich hatte Angst. Angst dass ich es nie schaffen würde meinen Rhythmus wiederzufinden, zu lernen, zu arbeiten, ein geregeltes Leben aufzunehmen. Ich hatte Angst am Bahnhof schlafend neben den Säufern und Bettlern zu enden – unfähig irgendetwas in die Hand zu nehmen. Eigenständig.

Das Träumen habe ich perfektioniert in dieser Zeit: Ich konnte meine Träume steuern, ich konnte fliegen und die wunderbarsten Abenteuer erleben. Mir wurde damals bewusst, dass der Mensch tatsächlich zwei Leben besitzt. Das Wache – das Wirkliche und das Traumleben – phantastisch aber dennoch logisch. Meistens liebte ich es zu träumen. Und manchmal hasste ich es. Dann wenn mir der Traum vorgaukelte, ich würde wach sein. Bereits unterwegs zur Universität, unterwegs zur Prüfung, unterwegs zum richtigen Leben. Alles war gut. Und dann wachte ich auf und merkte: ich war immer noch in meinem Bett. Ich hatte alles versäumt, alle Termine, es war mal wieder vorbei. Die Träume, die dich nicht in die Realität entlassen, sind die schlimmsten.

Einmal erschien mir Traum eine Frau. Nicht sehr dünn, auch nicht dick, mit einer freundlichen, offenen, humorvollen Ausstrahlung. Sie kam mir bekannt vor, ich wusste nicht an wen sie mich erinnerte aber ich wusste ich kannte sie. Oder besser noch: ich wusste diese Frau kannte mich besser als ich selbst mich kenne. Sie sah stark aus, glücklich. Sie lächelte mich an und sagte: "Nur Mut!"

Am nächsten Tag wachte ich auf. Es war mittlerweile Frühling geworden. Der Himmel war blau und die Luft war klar. Ich beschloss auf die Uni zu gehen. Ich dachte nicht nach über richtige Momente und richtige Schritte – über Schicksal und Lebenswendungen. Ich dachte nur daran, dass ich es endlich erledigen musste das Einschreiben fürs neue Semester, nachdem ich es bereits wieder tagelang vor mir hergeschoben hatte.

Am Schalter traf ich M. Ein Mädchen, das ich ab und an in den wenigen Vorlesungen gesehen hatte, die ich besucht habe. Sie erkannte mich ebenfalls und fragte, ob ich nicht am gleichen abend auf eine Party kommen möchte. Nette Leute, nette Musik.

Diese Party war der Anfang meines Ausstieges aus der Trägheit. Ich lernte neue Leute kennen, die mir noch am gleichen Abend sagten, sie hätten ein Zimmer frei in ihrer Wohngemeinschaft. Eine Woche später zog ich dort ein. Im nächsten Semester schrieb ich mich in einen anderen Studiengang ein – und trotz vieler Parties, vieler Kneipenbesuche und vieler Aktivitäten führte ich meine Ausbildung zu Ende, bin nicht am Bahnhof gelandet und habe auch nie wieder solange geschlafen.

Bis auf heute. Ich war ein wenig krank, erkältet, erschöpft. In der Früh habe ich noch etwas erledigt, bin aber um 9:00 wieder ins Bett. Im Traum traf ich ein Mädchen. Grosse dunkle Augen, hellblondes Haar, sehr dünn. Sie kam mir bekannt vor, ich wusste nicht an wen sie mich erinnerte aber ich wusste ich kannte sie. Ich kannte sie besser als irgendjemand anderen auf dieser Welt. Sie sah ängstlich aus und sehr verloren. Ich lächelte sie an.

„Nur Mut!"....




Das war übrigens mein Dornröschenschlaf. Banana Yoshimoto hat noch ein paar bessere auf Lager.

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